Christine Seebohm im Interview mit der Zeitung WochenSpiegel
Teilhabe muss stärker berücksichtigt werden
KREIS. Im Wohnheim der »Lebenshilfe« in Faid sollen laut Landesamt für Soziales zahlreiche Missstände im Betrieb der Einrichtung festgestellt worden sein. Deshalb wurde der bisherige Einrichtungsleiter vom Landesamt abgesetzt. Wir sprachen mit der neuen, kommissarischen Einrichtungsleiterin Christine Seebohm.
WochenSpiegel: Frau Seebohm, Sie sind seit einigen Tagen im »Lebenshilfe« Wohnheim tätig. Welchen Eindruck haben Sie von der Einrichtung in Faid?
Christine Seebohm: Meiner Wahrnehmung nach ist dies eine Einrichtung mit sehr motivierten Mitarbeitern! Allerdings ist das heutige Verständnis von Selbstbestimmung und Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigungen von der bishe rigen Einrichtungsleitung sicherlich nur begrenzt verinnerlicht und umgesetzt worden. Des Weiteren war der bisher herrschende Führungsstil vom Ansatz her wenig mitarbeiterorientiert und entspricht in keiner Weise meiner Vorstellung einer professionellen Leitung
WochenSpiegel: Sie werden dann gerufen, wenn es in einer Einrichtung zu Problemen kommt. Welches waren hier in Faid die größten, die Sie erfahren haben?
Christine Seebohm: Ich werde vorwiegend angefragt, wenn eine Einrichtung der Eingliederungshilfe Betreuungs- und Pflegeleistungen weiterentwickeln möchte und hierzu eine zusätzliche fachliche Begleitung wünscht. In der von Ihnen genannten Einrichtung stellt sich dies allerdings anders dar. Hier übernehme ich als kommissarische Einrichtungsleitung die gesamten Rechte und Pflichten –analog der gesetzlichen Anforderungen.
WochenSpiegel: Was ist für Sie in der Einrichtung in Faid aktuell die größte Herausforderung?
Christine Seebohm: Die größte Herausforderung ist, wie derzeit in vielen Bereichen des Sozial- und Gesundheitswesens, der Ausbruch und die Folgen der Infektionserkrankung Covid-19. Arbeitsabläufe werden aufgrund erweiterter Schutzmaßnahmen verändert und der Personaleinsatz muss verstärkt werden. Die in der Einrichtung lebenden Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen bedürfen einer erhöhten Assistenz, da sie die erlebten Veränderungen nur bedingt verstehen
WochenSpiegel: Wie werden Sie bei Ihrer Arbeit vor Ort unterstützt?
Christine Seebohm: An dieser Stelle möchte ich zuerst die Mitarbeiter der Einrichtung nennen und ihnen meinen Respekt für ihre außergewöhnliche Einsatzbereitschaft aussprechen. Dankbar bin ich ebenfalls für die umfängliche Unterstützung durch Vertreter der Beratungs- und Prüfbehörde nach Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe (LWTG) in Koblenz sowie der Landespflegekammer RheinlandPfalz. Derzeit sind fast alle Einrichtungen von den Auswirkungen der VirusErkrankung betroffen. Umso mehr hat es mich gefreut, dass ich Hilfsangebote von der Lebenshilfe Rhein-Hunsrück in Kastellaun und der St. Raphael Caritas Alten- und Behindertenhilfe in Mayen erhalten habe. Nicht zuletzt hat mir der Ortsbürgermeister Stefan Thomas die volle Unterstützung der Bürger zugesichert.
WochenSpiegel: Wie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter reagiert, als sie von der Abberufung des Heimleiters erfahren haben?
Christine Seebohm: Mit großer Erleichterung und vielen Fragen.
WochenSpiegel: Wie groß ist die Aufgabe in dieser Einrichtung? Was glauben Sie, wann Sie das Wohnheim wieder in »sicherem Fahrwasser« haben?
Christine Seebohm: Meine Erfahrung hat mich gelehrt, dass es schwierig ist, zu solchen Fragen eine konkrete Einschätzung abzugeben. Ich kann mir vorstellen, dass wir hier einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren ansetzen müssen. Was mich persönlich betrifft, so habe ich die Einrichtungsleitung nur zeitlich begrenzt übernommen. Das Ziel ist, dauerhaft eine geeignete Einrichtungsleitung einzusetzen, um den Menschen in der Einrichtung Leistungen anzubieten, auf die sie ein Anrecht haben.
Die Fragen stellte Mario Zender
Christine Seebohm, kommissarische Einrichtungsleitern des »Lebenshilfe-Wohnheims in Faid.